Jeder Mensch kann mehr

  • Rudiger Kauf im Interview 


    Bielefeld. Rübe rennt. Laut Ansgar Brinkmann läuft Rüdiger Kauf, von allen der Einfachheit halber nur "Rübe" gerufen, sogar "in jedem Spiel um sein Leben". Seit der Mittelfeldmalocher im Sommer 2001 zum DSC Arminia wechselte, hat er durch seinen nimmermüden Einsatz schon etliche körperlich überlegene (Kauf misst nach eigener Angabe 1,73 Meter und wiegt 65 Kilogramm) Gegner zermürbt. Er läuft und läuft und läuft. Dabei kam er nicht aus Wolfsburg, sondern aus Stuttgart und hat dort viel früher "beim Daimler gschafft". Als Industriemechaniker. Vor dem Wiedersehen am Sonntag (17.30 Uhr) auf der Alm mit seinem Ex-Klub VfB Stuttgart sprach der begeisterte Skifahrer, der in Ostwestfalen einzig die Nähe zu den Alpen vermisst, mit Torsten Ziegler.
    Sie sind fast immer wie auf Knopfdruck von der ersten bis zur letzten Minute mit hundertprozentiger Leistungsbereitschaft präsent. Wie puschen Sie sich hoch?


    KAUF: Das ist so meine Art. Wenn der Schiri anpfeift, gehts los. Das könnte angeboren sein. Und an irgendetwas kann ich mich immer hochziehen. Das sind mal die eigenen Fans, mal die gegnerischen. Oft sind es auch die Zweikämpfe auf dem Platz. Gegen Mannschaften wie Bayern oder Dortmund braucht man allerdings keine besondere Einstimmung. Gegen diese Weltstars, die man teilweise nur von der WM aus dem Fernsehen kennt, läuft alles von allein. Nicht nur bei mir.



    Können Sie sich erinnern, einmal keine Lust gehabt zu haben auf diese Rennerei?


    KAUF: Nein, das war noch nie der Fall.



    Finden Sie Gefallen daran, für andere auf dem Platz die Drecksarbeit zu verrichten, ganz so, wie es Ihr alternativer Berufswunsch Sherpa vermuten lässt?


    KAUF: Ach, das mit dem Sherpa war ein Witz. Vanni (Dirk van der Ven, d. Red.) und ich hatten im Trainingslager einen Fragebogen auszufüllen. Vanni hat Schiffsschaukel angegeben. Wir haben nur so rumgeblödelt.


    Ein Sherpa, der für andere die Lasten trägt, passt aber sinnbildlich zu Ihrer Spielweise. Oder haben Sie doch ein Problem damit, anderen zu dienen?


    KAUF: Man bekommt alles zurück, wenn man etwas gibt. Die Offensivspieler danken den Einsatz der Defensiven mit Toren. Sie stehen mehr im Rampenlicht, aber das kommt mir sogar entgegen.



    Was machen Sie, wenn Sie merken, da läuft ein Mitspieler nicht mal halb so viel wie Sie? Werden Sie zum Lehmann?


    KAUF: Den mache ich auf dem Platz an, aber nur verbal. Darauf haben wir uns in der Mannschaft verständigt. Jeder kann zu jedem sagen, was er will. Wenns zu arg war, entschuldigt man sich halt nach dem Spiel. So wie es Lehmann gemacht hat, gehts natürlich nicht. Das war zu auffällig, da wirft man ja den Mitspieler den Massen zum Fraß vor. Andererseits kann ich Lehmann verstehen. Manchmal staut sich über Wochen etwas auf. Wenn dann jemand den Stehgeiger spielt, genügt ein kleiner Funken zur Explosion.


    Akzeptieren Artur Wichniarek oder Ansgar Brinkmann, wenn der kleine und schmächtige Kauf sie auffordert, mehr zu laufen?


    KAUF: Ich glaube schon, dass ich ernst genommen werde. Aber ich bin natürlich nicht der große Wortführer. Das übernehmen Mathias Hain, Bastian Reinhardt und Detlev Dammeier.


    Auf dem Platz wirken Sie wie ein Fliegengewicht unter lauter Mittelgewichtlern. Woher nehmen Sie eigentlich die Energie, sich trotzdem zu behaupten?


    KAUF: Sicher gibts in der Liga nicht viele Defensivspieler mit meiner Größe, aber da gibts kein Geheimnis. Ich glaube nur: Jeder Mensch kann mehr als er sich zutraut .


    Ihre dünne Figur lässt eine asketische Lebensweise vermuten. Trifft das zu?


    KAUF: Ich bin ein ganz normaler Mensch. Mein Körper ist mein Kapital. Ich esse viele Kohlehydrate, hol mir aber auch schon mal einen Döner. Körperlich besser ausgestattete Fußballer müssen sicher weniger auf die Ernährung achten.


    Trotzdem wird es im Verlauf Ihrer Karriere einige Experten gegeben haben, die über Sie gesagt haben: Für ganz oben ist der Kauf zu klein und zu schwach.


    KAUF: Klar, das haben mir viele nicht zugetraut. Ich bin ja auch ein Spätstarter, hatte früher nicht den optimalen Lebenswandel. Ich habe in jungen Jahren eher nebenher ein bisschen Fußball gespielt.

    Wie sah denn damals ein typisches Wochenende aus?


    KAUF: In Hochdorf, meiner schwäbischen Heimat, sind wir schon mit den Kollegen um die Häuser gezogen. Freitag Mittag nach der Arbeit haben wir telefoniert. Meistens haben wir dann zusammen Fußball auf Premiere geguckt, dazu ein paar Bierchen getrunken. Danach waren wir dann unterwegs. Samstag haben wir selbst Fußball gespielt. Klar wollten wir immer gewinnen, aber wir haben nach Niederlagen genauso gefeiert wie nach Siegen.

    Wann haben Sie sich für eine Sport-Karriere entschieden?


    KAUF: Mit 21, 22 habe ich mir gedacht: Ich versuchs mal. Damals spielte ich beim VfL Kirchheim in der Regionalliga.


    Sie zählten zu der Arminen-Truppe um Ansgar Brinkmann, der während einer Kneipentour sogar mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Haben Sie sich diesem Zug angeschlossen, um einmal, frei von den Zwängen des Profilebens, alte Zeiten aufleben zu lassen?


    KAUF: In meinem ersten Jahr war ich zwei Mal in der Disco. Und dann war ich halt ein Mal dabei. Ich hätte nie gedacht, dass es so ausartet und hochgespielt wird.


    Was haben Sie daraus gelernt?


    KAUF: Das war nicht toll, mit solchen Sachen in der Zeitung zu stehen. Gelernt habe ich, dass man so früh morgens besser nichts mit der Polizei zu tun hat.



    Sie werden am heutigen Samstag 28 Jahre alt. Was haben Sie sich von Ihren Eltern, was von Ihrer Freundin gewünscht?


    KAUF: Die wissen, dass ich nichts will. Geschenke bedeuten mir nichts. Ich will da nicht in den Mittelpunkt. Nadine (seine Freundin, d. Red.) fragt die ganze Zeit, ich sage ihr, sie soll sich den Kopf nicht zerbrechen. Früher bin ich immer mit einem Kumpel nach Stuttgart geflüchtet, wenn ich Geburtstag hatte. Meine Eltern kommen hoch, das reicht.


    Wollen Sie gegen den VfB Stuttgart zeigen, dass Trainer Felix Magath Sie zu Unrecht ziehen ließ?


    KAUF: Das Spiel heißt Bielefeld gegen Stuttgart, mehr ist da von meiner Seite nicht. Es ist wichtig, dass wir mal wieder gewinnen. Vielleicht kommt der VfB etwas schlapp nach dem UEFA-Cup-Spiel gegen Celtic zu uns .



    http://www.nw-news.de

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