Ich will morgens noch in den Spiegel schauen können

  • Arminias Außenstürmer Ansgar Brinkmann hat seinen Traum wahr gemacht



    Ich will morgens noch in den Spiegel schauen können


    Ansgar Brinkmann hat viele Gesichter. Da ist der Fußball-Profi des DSC Arminia, der wegen seiner Ballkünste auch weißer Brasilianer genannt wird. Da ist aber auch der selbst ernannte Junge von der Straße, der schon mal mit körperlichen Argumenten kommt, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Im Gespräch mit Torsten Ziegler und Peter Burkamp gibt Brinkmann Einblick in seine Gedankenwelt, seine Fehler und seine Ziele.


    Einer der Gratulanten nach dem 4:1-Sieg über Mönchengladbach war Ihre Mutter. Haben Sie noch viel Kontakt nach Hause?


    ANSGAR BRINKMANN : Als ich in Berlin oder Frankfurt war, kam ich fast nur Weihnachten heim. Jetzt bin ich näher dran und fahre, wie vergangenen Sonntag, häufiger nach Bakum. Zu Hause habe ich immer noch mein altes Zimmer. Erst bleibe ich ein bisschen bei meiner Mutter, dann treffe ich mich mit alten Freunden. Das ist immer ein komisches Gefühl. In Bakum ist die Zeit stehen geblieben, während in meinem Leben doch sehr viel Tempo drin war. Es ist schön, dass ich meine Mutter Henriette jetzt häufiger sehe. Sie ist mittlerweile 69, und ich habe ihr viel zu verdanken.


    Sie haben einmal über Ihre Kindheit gesagt: "Der Kühlschrank war oft leer, und zu Weihnachten bekam ich den Pullover meiner Schwester".


    BRINKMANN : Ich war das jüngste von sieben Kindern, mein Vater war Schuhverkäufer, und wir hatten es wirklich nicht immer leicht. Das mit dem Kühlschrank stimmt. Während andere Kinder im Urlaub nach Italien und Spanien fuhren, kam ich höchstens nach Wangerooge. Und das auch nur, weil ich Asthma hatte.


    Welche Bedeutung hatte der Fußball unter diesen Umständen?


    BRINKMANN : Ich habe immer auf Fußball gesetzt. Wir waren zu Hause eine Sport begeisterte Familie. Die WM 74 war ein absolutes Event. Da saß die ganze Familie vor dem Fernseher und es gab Cola und Currywurst. Bei jedem Tor haben wir geschrien. Auch Handball haben wir verfolgt, oder Muhammed Alis Boxkämpfe, für die mich mein Vater extra geweckt hat. Als mich ein Bruder mit zum Fußballverein genommen hatte, ging alles los. Da habe ich an einem Tag erst mit der C-Jugend, dann mit der D-Jugend und manchmal auch noch mit der B-Jugend trainiert. Der A-Jugend habe ich dann die Bälle zugeworfen. Als ich später noch bei den Senioren vorneweg lief, bekam ich Ärger.


    Waren die wirtschaftlichen Umstände der Grund, sich als 15-Jähriger aufzumachen, um als Fußballer zu Wohlstand zu kommen?


    BRINKMANN : Daran habe ich im ersten Moment nicht gedacht. Wir haben am Anfang ja noch draufgezahlt. Meine Mutter ging arbeiten, um mir das Training bei Bayer Uerdingen zu ermöglichen. Ich hatte eine winzige Wohnung, musste die Miete selbst zahlen. Von zu Hause bekam ich Einmachgläser mit, sonst gabs meistens Nudeln zu essen. Anfangs hatte ich nicht einmal ein Bett, sondern nur eine Matratze.


    Haben viele Menschen Ansgar Brinkmann nur missverstanden? Sagen Sie Ihre Meinung im Arminia Forum gemeint ist das der NW!
    Wie haben Sie die Trennung von der Familie verkraftet?


    BRINKMANN : Das war schon ziemlich hart, von jetzt auf gleich vollkommen auf sich allein gestellt zu sein, ohne Freunde und Familie. Plötzlich musste ich mich um alles selbst kümmern, um Strom, Frühstück, Abwasch und alles. Ich war völlig aus meiner Welt gerissen. Da hatte ich schon öfter Tränen in den Augen. Aber der Fußball hat mich stark werden lassen, ich hatte immer mein Ziel, Profi zu werden,vor Augen.


    Sie betonen häufig, dass Sie ein willensstarker Mensch sind. Ist diese Eigenschaft in der Uerdinger Zeit gewachsen?


    BRINKMANN : Ich habe eigentlich immer kämpfen müssen. Schon als ganz junges Kind gegen mein starkes Asthma. Als ich allein in Uerdingen war, dachte ich schon ab und zu daran, heimzufahren. Das wäre mir aber peinlich gewesen. So habe ich durchgehalten, habe allein mein Ding gemacht, habe mich gegen Nationalspieler wie Oliver Bierhoff oder die Chmielewski-Brüder behauptet. Nachmittags haben wir zwischen den überwiegend von Ausländern bewohnten Hochhäusern um 'ne Cola oder 'nen Fünfer gebolzt. Da gings richtig zur Sache.


    Was war das für ein Gefühl, als Sie ihren Traum mit einem Profivertrag in Osnabrück wahrmachen konnten?


    BRINKMANN : Das war einfach Motivation pur. Ich bekam einen nagelneuen 316er BMW und hatte plötzlich Autogrammkarten. Da bin ich erstmal nach Hause gefahren, um alles vorzuführen. Ich hatte mein Ziel erreicht, war einfach nur glücklich. Fußball ist mein Leben. Es gibt nichts Schöneres.


    Warum ging es danach mit der Karriere nicht weiter nach oben? Sie landeten zwischenzeitlich sogar in der Bezirksligareserve von Cloppenburg.


    BRINKMANN : Ich war rebellisch und habe auch viele Fehler gemacht. Oft habe ich mir selbst im Weg gestanden. Ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker. Man durfte mich nicht brechen. Bis Trainer das erkannt haben, hat es eine Weile gedauert. Dann haben wir auch mal mit Freunden gefeiert. Aber ich habe bis heute noch keine Zigarette auf Lunge geraucht. Alkohol war da in der Anfangszeit auch kein Thema, später mal.


    Haben Sie ein Problem mit Benno Möhlmann?


    BRINKMANN : Nein, ich habe kein Problem mit dem Trainer. Natürlich war es bitter, auf Schalke nicht zu spielen, aber ich muss die Entscheidung akzeptieren, auch wenns weh tut. Als ich herkam, hatte ich acht, neun Angebote. Ich habe dem Trainer gesagt: wenn Sie mich holen, wird es hier krachen. Dabei will ich nur die Mannschaft ab und zu Mal wachzurütteln. Ich will morgens immer noch in den Spiegel schauen können. Wenns nicht läuft, brauchst du Spieler, die aus einem 0:1 ein 2:1 machen. Zu denen wollte ich immer gehören. Grundsätzlich kann ich mich überall unterordnen und jedem Respekt entgegenbringen.


    Was haben Sie aus Ihren Fehlern gelernt?


    BRINKMANN : Ich darf mich nicht mit jedem Trainer anlegen. Ich bin doch nicht unfehlbar. Auch ich habe mich revidieren müssen. Ist ja schön, wenn die Leute denken: der Brinkmann ist einer, der seine Meinung sagt. Genau das hat mich aber in meiner Karriere gebremst. Die anderen saßen immer am längeren Hebel. Grundsätzlich glaube ich nicht, dass ich ein Problem mit Autoritäten habe. Seit 16 Jahren folge ich der Marschroute der Trainer.


    Wie sehen Sie ihre Zukunft. Spielen Sie mit 40 in der Oberliga?


    BRINKMANN : Auf keinen Fall. Ich werde mir nicht von irgendwelchen Spielern die Knochen zertreten lassen, nur damit die sagen können, sie hätten Ansgar Brinkmann umgehauen. Ich habe zu viele Schlachten geschlagen. Der Trainer Horst Ehrmantraut hat immer gesagt, ich könnte bei meiner Konstitution bis 38 in der Bundesliga spielen. Dazu muss ich aber fit sein und vor allem schmerzfrei.


    Sie sprechen die Verletzung im Zehengelenk an. . .


    BRINKMANN : Seit Monaten spiele ich mit großen Schmerzen. Aber ich weiß auch: wenn ich auflaufe, muss ich Leistung bringen. Ich schlucke fast täglich Voltaren und lasse mich vor den Spielen fitspritzen. Nach der Serie muss irgendwas passieren. Eine Operation soll helfen, dass ich wieder schmerzfrei bin, sagen die Ärzte. Aber ich warte noch. Wir sind schließlich nicht Achter, und es hat sich gezeigt, dass wir unsere elf bis 13 Leute beisammen haben müssen, damit es läuft.


    Zurück zur Zukunft. Sie haben ein Haus gekauft, eine Freundin gefunden. Werden Sie sesshaft?


    BRINKMANN : Mir gefällt es hier in Bielefeld. Die Leute mögen mich. Meine Freundin Inga ist einfach ein toller Mensch. Jede Stunde mit ihr ist klasse. Ich würde mich freuen, wenn die Leute hier in der Gegend später mal sagen: Es war gut, dass der Brinkmann bei Arminia war. Ich möchte dem Fußball erhalten bleiben. Bielefeld als Basis könnte ich mir gut vorstellen. Aber es kann sein, dass ich wegen der Arbeit irgendwo anders hin muss. Die Frankfurter haben sich mal gemeldet, und es gibt andere Kontakte.


    Könnten Sie sich eine Tätigkeit als Trainer vorstellen?


    BRINKMANN : Warum nicht? Es heißt immer, ich sei kein gutes Vorbild, aber was habe ich schon getan? Da wurde vieles schlimmer gemacht, als es wirklich war. Ich bin halt nicht lieb zu allen und mache es nicht unbedingt jedem recht.


    Sie beraten einen jungen Spieler in Holland. Wäre es eine Alternative, diesen Bereich auszuweiten?


    BRINKMANN : Mit Emino ist das eine Ausnahme. Der ist ein 16-jähriger Deutsch-Kurde und wie ich in Bakum aufgewachsen. Er hat einfach ein Riesentalent, und ich wollte ihm helfen, daraus etwas zu machen. Er hatte Angebote von Bayern, Bremen und Wolfsburg, aber ich glaube, dass er bei Twente Enschede besser aufgehoben ist. Dort wird er optimal ausgebildet und hat später eher die Chance, bei den Profis zu spielen. Einen Vertrag habe ich nicht, er vertraut mir einfach. Früher hat mir eine solche Hilfe gefehlt.


    Den Traum vom Profifußballer haben Sie sich erfüllt. Gibt es andere unerfüllte Wünsche?


    BRINKMANN : Ich würde gern mal durch Amerika kurven. Ich will mich nicht beklagen, aber die letzten Jahre habe ich sehr oft in Hotels verbracht und mich auf Spiele vorbereitet. Ich bin unheimlich neugierig und schaue viel mehr Nachrichten als die Leute erwarten würden. Ich denke, viele haben ein falsches Bild von mir.


    Inwiefern ein falsches Bild?


    BRINKMANN : Ich will nicht tiefsinnig werden, aber ich bin ein Mensch, der viel nachdenkt. Ab und zu muss man mal stehen bleiben und innehalten. Ich weiß, wo ich herkomme und was ich habe: Alles, was jetzt noch kommt, ist Luxus. Ich mag keine Menschen, die in tolle Autos steigen und es nicht mal merken. Natürlich lasse ich es mir auch mal gut gehen, aber ein Materialist bin ich nicht. Leute, die keinen Respekt vor dem kleinen Parkhauswächter haben, mag ich nicht. Jeder, der was schafft, verdient Respekt.


    Wenn Sie innehalten und nachdenken, entstehen dann auch Sprüche wie: "Es gibt Leute, die können Klavier spielen. Andere müssen es tragen"?


    BRINKMANN : Solche Sachen kommen mir spontan in den Kopf. Viele Dinge regen mich zum Denken an. Ich suche dann Informationen und Argumente, wäge ab: was spricht dafür, was spricht dagegen.


    Zu welcher Meinung sind Sie wegen des Irak-Kriegs gekommen?


    BRINKMANN : Es ist was dran, wenn man sagt, die UNO und die Diplomatie haben versagt. Wenn sich aber jemand über Jahre wie Ceaucescu in Rumänien oder Milosevic auf dem Balkan verhält und andere umbringt, dann muss man den bekämpfen. Saddam ist eine permanente Bedrohung. Ich hoffe, dass es gelingt, den Krieg mit so wenig Schaden wie möglich zu beenden.


    Was spricht für Arminia im Derby gegen Dortmund?


    BRINKMANN : Es könnte sein, dass die Dortmunder in der Champions League Kraft gelassen haben. Ich glaube auch, dass nicht alle Spieler in dieser Saison hungrig genug auf den Meistertitel waren. Da fehlt einigen die Sammer-Mentalität. Trotzdem wird es verdammt schwer für uns. Wir müssen einen überragenden Tag haben, wenn wir was erreichen wollen. Im Hinspiel waren wir absolut gleichwertig, aber auf der Alm dürfen wir nicht schön spielen. Am Ende muss das Ergebnis stimmen. Dortmund würde heillose Euphorie sofort bestrafen.


    BILD: Nachdenklich: "Die Öffentlichkeit hat ein falsches Bild von mir", glaubt Ansgar Brinkmann, der sich selbst als Gerechtigkeitsfanatiker bezeichnet. FOTO: WOLFGANG PRÜSSNER

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