Datei "Gewalttäter Sport" rechtswidrig

  • Artikel der FAZ


    Zitat

    Antje Niewisch-Lennartz, Vorsitzende Richterin der 10. Kammer des VG Hannover, die für das Verfahren zuständig war, sagte FAZ.NET, dass die Datei in der Zuständigkeit von Bund und Ländern liege. „Daher muss auch der Bundesrat der der Datei zu Grunde liegenden Rechtsverordnung zustimmen. Das ist nicht geschehen. Damit ist die Datei rechtswidrig.“ Ob das Zustimmungserfordernis im Gesetzgebungsverfahren nicht erkannt oder vergessen wurde, konnte das Gericht nicht klären. Die Datei „Gewalttäter Sport“ wird seit 1994 geführt.
    ...


    Auch wenn einige dort zurecht vermerkt sind, war die ganze Handhabe dieser Datei schon immer recht heikel für einen Rechtsstaat. Einfache Personalienaufnahme genügte um in der Datei zu landen, ohne das irgendetwas gemacht wurde. Insofern eine gute Sache für die (Bürger-)Rechte von Fussballfans.


    Das wird auf jeden Fall jetzt interessant. Wirklich eine Frechheit, dass 14 Jahre eine Datei geführt wurde, die rechtswidrig ist.

    Wir sind Fans und das ohne Pause - BIELEFELD - und die Alm ist unser zu Hause

  • Für die Kartei wird das Urteil geringe Auswirkungen haben. Rechtswidrig ist nicht gleich nichtig. Die Zustimmung des Bundesrates wird dann später nur eine Formsache sein. Alles andere würde mich wundern.


    Aber was im ersten Beitrag schon angesprochen worden ist. Viel interessanter ist für mich, daß diese Kartei ohne direkte richterliche Aufsicht geführt wird. Diese Kartei hat direkte Auswirkungen auf die Bürgerrechte (Reisefreiheit). Wie lässig dann damit umgegangen wird, ist daher eine echte Zumutung für den Rechtsstaat. Das empfinde ich als Laie zumindest so.


    Aber leider ist Recht nicht gleich Gerecht und Gerecht selbst ist dazu noch äusserst subjektiv.

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  • Für Bielefeld ist das VG Minden zuständig und da müsste man vermutlich dann dort klagen! Und ob die sich an dem Urteil von Hannover orientieren ist dann immer noch ne andere Sache.


    Zudem ich meinem Vor"redner" zustimme, denke das es dann ohne Probleme vom Gesetzgeber abgesegnet wird.


    Das die Kriterien für die Aufnahme in die Datei und das "schwer" wieder raus kommen ne Frechheit ist darüber brauchen wir ja nicht streiten!



    Für sogennante "Autonome" wurde das glaub ich auch mal angedacht. Bin mal gespannt ob die sich das einfach so bieten lassen, die haben ja ne ganz andere Lobby wie Fußballfans!

  • Was ich nicht verstehe ist, warum man sich aus einer Datei die rechtswidrig ist erst "rausklagen" muss?


    Gönner, du schreibst "rechtswidrig ist nicht gleich nichtig". Für mein persönliches Rechtsempfinden schon. Was rechtswidrig ist, darf nicht existieren und die Einträge müssten somit doch automatisch gelöscht werden. Ich gebe zu, dass ich in rechtlichen Sachen ziemlich unbewandert bin und würde mich daher über eine Erklärung, warum mein persönliches Rechtsempfinden soweit von der Realität entfernt ist, freuen.

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    http://www.verwaltungsgericht-…2171_L20_D0_I3748247.html


    Das
    Bundeskriminala mt führt auf Grundlage des BKA-Gesetzes eine Datei
    "Gewalttäter Sport", in der Täter gespeichert werden, die durch
    Gewaltstraftaten in Zusammenhang mit sportlichen Ereignissen in
    Erscheinung getreten sind, wie z.B. Hooligans. Der Kläger des
    entschiedenen Verfahrens begehrte seine Löschung aus dieser Datei.
    Das Gericht gab der Klage statt, weil es keine ausreichende
    rechtliche Grundlage für diese Datei sieht. Nach § 7 Abs. 6 des BKAG
    setzt die Führung so genannter Verbunddateien eine Rechtsverordnung -
    die der Zustimmung des Bundesrates bedarf - voraus, in der das Nähere
    über die Art der Daten geregelt wird, die in der Datei gespeichert
    werden sollen. Um eine solche Verbunddatei handelt es sich bei der
    Datei "Gewalttäter Sport", weil sie nicht allein in der Regie des BKA
    betrieben wird, sondern die Bundesländer die Datensätze eingeben und
    diese auch abrufen können. Während die weiter erforderliche
    Errichtungsanordnung mit detaillierten Regelungen existiert, wurde die
    in § 7 Abs. 6 BKAG geforderte Rechtsverordnung nicht erlassen. Dieser
    Mangel führt hier zur Rechtswidrigkeit der Datei und damit zu einem
    Löschungsanspruch.
    Die Kammer hat die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.


    Nur mal zur Info für alle Betroffenen, die mal wegen nem Becherwurf oder so einen ZIS-Eintrag bekommen haben! ;)

  • Man sollte sehen, dass es nur die Entscheidung eines VG ist.


    Der selbe Sachverhalt wird wahrscheinlich vor einem anderen Gericht anders beurteilt werden. Darüber hinaus dürfte das Urteil aus Hannover auch nicht rechtswirksam werden, weil sich ein Revisionsverfahren anschließen wird.


    MonkeyMan: Die Datei ist rechtswidrig, weil das verfassungsgemäße Gesetzesverfahren nicht angewandt wurde. Das Gesetz kann nur vom BVerfG gekippt werden, und da liegen noch einige Instanzen dazwischen.

    Wenn die Wahrheit zu schwach ist, sich zu verteidigen, muss sie zum Angriff übergehen.

  • Das mit der fehlenden Rechtskräfitgkeit des Urteils aufgrund der zugelassenen Revision ist mir klar.


    Aber bei einer Sache stehe ich immer noch auf dem Schlauch. Es muss doch gar nichts gekippt werden, da die Rechtsverordnung für diese Datei fehlt bzw. ungültig ist. Jetzt kann man doch nicht diese Datei aufrechterhalten, bis die Rechtsverordnung nachträglich ordnungsgemäß erlassen wird. Sobald das Urteil aus Hannover rechstkräftig wird (kann ja sein, dass das Urteil im Revisonsverfahren bestätigt wird), fehlt die rechtliche Grundlage für diese Datei und sie darf nicht länger existieren oder sehe ich es falsch?

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  • Ich bin auch Laie, habe nur fachbezogen ein Semester Umweltrecht hören dürfen. Ganz frei und laienhaft formuliert:


    Rechtswidrig: Geringer Rechtsverstoß, der behoben ("geheilt") werden kann. --> Gültig bis er rechtskräftig aufgehoben wird. Muß bis dahin befolgt werden.


    Nichtig: Schwerer Verstoß. Muß nicht befolgt werden. Ist nicht mehr heilbar.


    Aber unsere Juristen hier können das sicher besser beschreiben. Zum einen bezieht sich mein (Halb-)Wissen mehr auf Verwaltungsakte, denn auf die Gesetzgebung. Zum anderen bin ich als technischer Mensch auch mehr ein Fan davon, daß etwas rechtens ist, oder eben nicht. Also ohne dieses Zwischending.


    Wenngleich es Sinn macht, daß es soetwas gibt. Ein Ortseingangsschild ist auch ein Verwaltungsakt. Und es wäre schon doof, wenn dieser falsch erlassen wird und plötzlich dürften da alle 100 km/h fahren, wo sonst geschlossene Ortschaft wäre.

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    Einmal editiert, zuletzt von Gönner ()

  • Ist zwar nicht die seriöseste Quelle aber hier:



    "
    (...) Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover gegen Datei hat vorerst keine Auswirkung


    Trotz eines Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover gegen die Datei "Gewalttäter Sport" bleiben deutsche Fußball-Hooligans im Hinblick auf die bevorstehende Europameisterschaft zunächst unverändert im Visier der Behörden. "Das Urteil hat zunächst keine Auswirkung in der Praxis", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin.


    Das Gericht war zum Urteil gekommen, die seit Jahren beim Bundeskriminalamt (BKA) geführte Datei sei wegen des Fehlens einer Rechtsverordnung rechtswidrig. Es gebe bereits eine anderslautende obergerichtliche Rechtsprechung, sagte der Ministeriumssprecher. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig. Die Polizeidirektion Hannover lege Berufung ein (...)


    | derstandard.at | 23. Mai 2008 |"

  • Zitat

    Original von Gönner
    Ich bin auch Laie, habe nur fachbezogen ein Semester Umweltrecht hören dürfen. Ganz frei und laienhaft formuliert:


    Rechtswidrig: Geringer Rechtsverstoß, der behoben ("geheilt") werden kann. --> Gültig bis er rechtskräftig aufgehoben wird. Muß bis dahin befolgt werden.


    Nichtig: Schwerer Verstoß. Muß nicht befolgt werden. Ist nicht mehr heilbar.


    Wir hattens in der Berufschule nur im Bezug auf Kaufverträge. Aber dürfte ähnlich sein.


    Nichtigkeit:


    Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es so schwere Mängel aufweist, dass das Gesetz dem Rechtsgeschäft keine Rechtswirkung zuspricht.


    Rechtsgeschäfte können aus verschiedenen Gründen nichtig sein:


    Formmangel
    Fehler bei der Willenserklärung,
    Sittenwidrigkeit
    mangelnde Geschäftsfähigkeit des Erklärenden. (eingeschränkt geschäftsfähig ab 7, voll Geschäftsfähig ab 18)


    Ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wird es so angesehen, als sei es überhaupt nicht vorgenommen worden.


    Die Nichtigkeit wirkt grundsätzlich dauernd, eine Heilung ist nur in wenigen Ausnahmefällen vorgesehen.



    Rechtswidrigkeit (hatten wir nicht, nur Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften):


  • Zitat

    Original von arminia_blue
    Wir hattens in der Berufschule nur im Bezug auf Kaufverträge. Aber dürfte ähnlich sein.


    Nope, das eine ist Privatrecht, das andere Öffentliches Recht - und die sind grundverschieden.


    Um die Auswirkungen des VG-Urteils beurteilen zu können, bräuchte man eh den Urteilstext. Berichterstattung über Urteile ist so ziemlich das Grausamste was es überhaupt gibt, da Journalisten einfach unfähig sind, die juristisch relevanten Details zu verstehen / zu sehen.

    Wenn die Wahrheit zu schwach ist, sich zu verteidigen, muss sie zum Angriff übergehen.

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